Ema

Man findet sie an fast jedem Tempel und Schrein: Eine Wand voller kleiner, bedruckter oder beschriebener Holztäfelchen, ema (絵馬) genannt. Besucher kaufen die Tafeln, beschriften eine Seite mit einem Wunsch und hängen sie dann auf.

Das Programm an Wünschen ist breit, von Gesundheit und bestandenen Prüfungen über Erfolg im Beruf und einer guten Beziehung bis hin zum Weltfrieden. Selbst Touristen haben den Brauch übernommen, und so findet man nicht nur in japanisch beschriftete Tafeln, sondern auch Koreanisch, Englisch, Deutsch und weitere Sprachen.

Der Brauch geht zurück auf die Nara-Zeit (etwa 8. Jahrhundert). Zu der Zeit wurden Pferde als Boten der Götter gesehen. Damit die eigenen Wünsche und Gebete von den Göttern besser erhört werden, spendeten die Menschen den Schreinen Pferde. Diese Tiere waren allerdings extrem teuer. Wer es sich nicht leisten konnte, baute deshalb Pferdefiguren aus Holz, Ton oder Papier. So entstanden die heutigen Holztäfelchen. Das Wort Ema heißt übersetzt Pferdebild.

Itadakimasu!

Ein Blick in den Sprachführer verrät, dass "Guten Appetit" auf Japanisch いただきます (itadakimasu) heißt. Doch es steckt viel mehr dahinter.

Mit "Guten Appetit" wünschen wir den anderen am Tisch eine leckere Mahlzeit und ein schönes gemeinsames Essen.

Itadakimasu dagegen ist ein Ausdruck der Dankbarkeit. Man dankt den Pflanzen, die für das Essen geerntet wurden, und den Tieren, die dafür ihr Leben ließen. Man dankt dem Kaiser, den Eltern, dem Bauern, dem Fischer, dem Koch und überhaupt jedem, der seinen Beitrag dazu leistete, dass man jetzt eine köstliche Mahlzeit zu sich nehmen darf. Man macht sich bewusst, dass das keine Selbstverständlichkeit ist. Nimmt man den Gedanken ernst, gehört es deshalb auch dazu, alles bis auf das letzte Reiskörnchen aufzuessen.

Die ursprüngliche Bedeutung von itadakimasu war "etwas über seinen Kopf heben". Der Buddhismus brachte den Brauch in das Land, einen Gegenstand, den man von einer höhergestellten Person entgegennahm, als Zeichen der Dankbarkeit und Wertschätzung zuerst höher als seinen Kopf zu halten. Im Laufe der Zeit wurde daraus dann ein genereller Ausdruck, einen Gegenstand höflich entgegenzunehmen.

Der Gebrauch vor dem Essen ist jedoch verhältnismäßig neu. Bis in das frühe zwanzigste Jahrhundert war er nur regional verbreitet, bevor er landesweit üblich wurde. Bis heute ist es regional unterschiedlich, ob man dabei die Hände zusammenlegt oder nicht.

PS: Am Ende einer Mahlzeit sagt man ご馳走様でした (gochisōsama deshita) - "Das war ein Festmahl."

Geisterstunde!

Eine Tierkreiszeichen-Uhr, aufgenommen zur ersten Zeit des Widders, also etwa um 13:20 Uhr. Obwohl die japanische Kultur keine christlichen Wurzeln hat, gibt es auch in Japan eine Geisterstunde. Oder genauer gesagt, eine halbe Geisterstunde.

Sie heißt 丑三つ時 (ushi mitsu doki) und bedeutet wörtlich "die dritte Zeit des Ochsen". Diese etwas merkwürdige Formulierung geht zurück auf die Art, wie im alten Japan die Uhrzeit beschrieben wurde. Die 24 Stunden des Tages waren aufgeteilt in 12 Abschnitte zu je zwei Stunden. Die einzelnen Abschnitte waren den chinesischen Tierkreiszeichen zugeordnet und wiederum unterteilt in vier Teile zu je 30 Minuten. Die Zeit des Ochsen ist der Abschnitt von 1 Uhr bis 3 Uhr morgens. Die japanische Geisterstunde ist im dritten Teil dieses Abschnittes, sie findet also nachts zwischen 2 Uhr und 2:30 Uhr statt.

Verfluchungsritual (Toriyama Sekien, 1779, gemeinfrei) Ähnlich wie bei uns ist die Geisterstunde eine unheimliche Zeit, in der man Geistern begegnen und Dämonen beschwören kann. Ein altes Ritual, das zur Geisterstunde praktiziert wird, ist 丑の時参り (ushi no toki mairi), der Schreinbesuch zur Zeit des Ochsen. Das ist ein Fluch, der seinem Opfer den Tod bringen soll.

Die Beschwörerin (meistens ist es eine verachtete Frau) trägt das eiserne Dreibein einer Feuerstelle umgedreht auf ihrem Kopf. In jedes der Metallbeine hat sie eine Kerze gesteckt. Mit dieser Krone schleicht sie sich zur Geisterstunde in einen Schrein und schlägt dort Nägel in einen heiligen Baum. Wenn sie das sieben Tage in Folge schafft, ohne dabei beobachtet zu werden, erscheint ein Ochse. Um den Fluch zu vollenden, muss sie über ihn steigen.

Daruma

Daruma am Achi-Tempel in Kurashiki Man braucht sich nicht lange umzuschauen, um irgendwo den ersten dieser roten Köpfe mit den großen Augen und dem grimmigen Gesichtsausdruck zu entdecken. Die Rede ist von einem Daruma (だるま).

Die Figur stellt den Mönch Bodhidharma dar. Er hat einer Legende nach keine Arme und Beine mehr, weil sie vom jahrelangen Meditieren abgefallen sind. Und weil er einmal beim Meditieren einschlief, schnitt er sich aus Ärger über seine Nachlässigkeit die Augenlider ab, was ihm die großen Augen einbrachte.

Der Daruma gilt als Glücksbringer. Verkauft wird er meistens mit weißen Augen. Man wünscht sich etwas und malt anschließend ein Auge aus. Dann stellt man die Figur an einen Ort, an dem man möglichst täglich vorbeikommt. Der Anblick des Daruma mit nur einem ausgemalten Auge soll ständig an den Wunsch erinnern. Geht er in Erfüllung, bekommt der Daruma zur Belohnung auch sein anderes Auge ausgemalt. Er hat damit seinen Zweck erfüllt und wird zum Jahreswechsel in dem Tempel, in dem er gekauft wurde, feierlich verbrannt.

Daruma-Figuren werden aus Pappmaché hergestellt und sind innen hohl. Es gibt sie in verschiedenen Größen. Der Körper ist meist rot bemalt, man findet ihn aber auch in weiß und anderen Farben. Man kann sie in Tempeln und manchmal als おみやげ (omiyage) in Souvenirläden kaufen - ein nettes Mitbringsel von einer Japanreise. Für den schnellen Wunsch zwischendurch findet man manchmal sogar vorgebetete Daruma, beispielsweise für Gesundheit oder Erfolg bei Prüfungen.

Durch seine Form wurde der Daruma im 18. Jahrhundert zusätzlich ein Stehaufmännchen. Er erinnert daran, dass man sich nach einem Rückschlag wieder hinstellen und weitermachen soll. Die Japaner sagen dazu 七転八起 (nanakorobi yaoki): fall sieben mal um, steh acht mal auf.

Fun Fact: Schneemänner heißen auf Japanisch 雪だるま (yuki daruma) - Schnee-Daruma.